20.01.2017

Klettern in Griechenland: Ein Reisebericht

Joanna Niechwiedowicz hat ihren Urlaub in Griechenland verbracht. Natürlich ging es unserer Athletin hauptsächlich ums Klettern. Die Polin reiste in schwer zugängliche Gebiete und wurde durch einmalige Erlebnisse belohnt. Für uns hat sie ihre Erfahrungen in einem Reisetagebuch festgehalten:

Mein Urlaub lief 2016 etwas anders ab als sonst. Wir haben uns nicht nur für eine andere Jahreszeit, sondern auch für ein neues Ziel entschieden. Statt im Sommer zu verreisen, haben wir den November gewählt, und anstelle von Spanien ging es nach Griechenland. Die meisten werden jetzt denken, dass wir nach Kalymnos geflogen sind, das sich ja immer größerer Beliebtheit erfreut. Das war aber nicht der Fall. Stattdessen sind wir in den Ort Leonidio auf der Peloponnes gefahren, der sicher etwas weniger bekannt ist.

Auf der 2.000 Kilometer langen Autofahrt kamen wir durch Serbien und Mazedonien, Länder, die wir bis dahin nicht kannten. Nach weniger als 24 Stunden auf der Straße erreichten wir unser erstes Ziel: Pyli und Mouzaki. In der Region Thessalien sind diese Ziele mit ihren westseitigen Felswänden diejenigen in Griechenland, die den polnischen am nächsten kommen. Leider hatte es vor unserer Ankunft anscheinend stark geregnet, sodass wir feststellen mussten, dass die meisten der Routen komplett nass waren. Das Wasser strömte sogar richtig aus den Sintersäulen heraus. Es war fast unmöglich, zur Pyli-Kletterwand zu gelangen, weil sich ein normaler Bach auf einmal in einen reißenden Fluss verwandelt hatte! Nachdem wir die einzige trockene Route in der Gegend geklettert waren, sind wir weiter nach Süden gefahren. Das war sehr schade, weil beide Wände sehr vielversprechend aussahen und man wahnsinnig viel klettern könnte. Es bieten sich auch tolle Möglichkeiten für neue Linien.

Ein ungeplanter Pausentag

Zweites Zwischenziel: Mavrosouvala. Das Gebiet wirkt wie das „Felsenfitnessstudio“ der Athener, erwies sich jedoch auch als sehr offen Neuankömmlingen gegenüber. Große Überhänge mit Sintersäulen und völlig trockenem Fels waren genau das, war wir uns erhofft und erwartet hatten. In der Gegend gibt es nicht so viele Routen, aber bei allen ist die Qualität sehr hoch und alle entsprechen dem spanischen Stil.

Nachdem wir den ganzen Tag geklettert waren, sind wir in Richtung unseres nächsten Ziels gefahren: Leonidio, ein Ort mit etwa 4.000 Einwohnern. Auf beinahe 1.000 Routen in dieser Gegend kann man das ganze Jahr lang klettern. Die beste Zeit, dorthin zu fahren, ist jedoch zwischen Oktober und April.

Leider wurden wir dort wieder vom Regen begrüßt. Außerdem sagten uns die polnischen Freunde, mit denen wir uns dort trafen, dass das Wetter schon seit ein paar Tagen so gewesen sei. Die durchnässten Felswände stimmten uns nicht sehr optimistisch und zwangen uns zu einem ungeplanten Pausentag. Am nächsten Tag fuhren unsere polnischen Freunde wieder und mit ihnen ging überraschenderweise auch der Regen, der bis zum Ende unserer Reise zum Glück auch nicht mehr zurückkehrte. Zu unserer noch größeren Überraschung trocknete der Fels sofort ab und wir konnten Klettern gehen.

Leonidio lässt sich in aller Kürze so beschreiben: eine Kleinstadt mit engen Straßen, lokalen Geschäften und Restaurants. Es gibt sogar eine Kletterbar, die Panjika heißt und eine entspannte Atmosphäre, Kaffee und einen Kletterführer für die Gegend bietet. Der Ort liegt nur einige Kilometer vom Meer entfernt und es gibt einen sehr schönen Campingplatz namens „Semeli“ im Dorf Plaka, wo wir unser Lager aufgeschlagen haben.

Loser Fels und Schwierigkeitsgrade im oberen mittleren Bereich

Zum Sportklettern gibt es hier alles, was man sich wünschen kann: kurze Routen, lange Routen, Mehrseillängenrouten, Überhänge, Platten, Sintersäulen, Leisten, Löcher – da ist alles dabei! Ich denke, die Gegend bietet etwas für jeden Geschmack. Es gibt zahlreiche Sektoren. Wir konnten allerdings nur ein paar davon besuchen:

Zuerst waren wir beim Sektor „Elona“, der fünf Minuten von der Straße entfernt liegt. Dank eines schönen griechischen Klosters ist dieser Ort bei Kletterern sehr beliebt und einige Touristen kommen auch vorbei. Der Sektor umfasst zurzeit mehr als 30 Routen, er befindet sich jedoch auch noch in der Entwicklungsphase. Von den Schwierigkeitsgraden her liegen die Routen hier im oberen mittleren Bereich. Ihre Länge variiert zwischen 20 und sogar 60 Metern! Es gibt einen großen Überhang und überall eine Menge Sintersäulen. An einigen Stellen kann man noch auf loses Gestein stoßen und es kann passieren, dass man mit dem Stück Fels in der Hand fällt, an dem man sich gerade festgehalten hat. Marek, der mich auf meiner Griechenlandreise begleitet hat, ist mit einer ein Meter langen Sintersäule gefallen. Deshalb habe ich mich dazu entschieden, mit Helm zu klettern. Die Grade schienen uns ziemlich überbewertet, aber folgende Routen sind mir gelungen:

  • Goliath 7c+ RP (3. Versuch): eine 35 Meter lange, konditionsintensive Linie, die Elonas Überhang überquert. Das war eine der besten Routen in diesem Schwierigkeitsgrad, die ich je geklettert bin.
  • Eisvoleas 7c RP (2. Versuch): eine kürzere, 20 Meter lange Boulderroute, bei der die Schlüsselstelle fast in einem Dach liegt.

Kraftausdauerrouten und technisches Klettern

Außerdem sind wir in einem kleineren Sektor namens „Twin Caves“ geklettert. Abgesehen von ein paar einfachen Platten fangen die Grade hier bei 7b+ an. Die Routen sind mit Extensions bis zu 35 Meter lang. Die ersten Seillängen erstrecken sich jedoch auf ca. 25 Meter. Wie bei „Elona“ findet man auch hier viele Sintersäulen und es gibt sowohl leichte Überhänge als auch Bereiche auf den schwierigeren Routen (ab 8b), in denen er fast in ein Dach übergeht. Der Fels ist hier viel stabiler. Auf den Extensions, die neu eingebohrt sind, stößt man allerdings auf etwas loses Gestein. Ich habe die „Mr Magoo 7c“ (2. Versuch) und die „Chipotle 7c“ (3. Versuch) geschafft. Beide sind sehr schöne, abwechslungsreiche Kraftausdauerrouten.


„Mars“ ist ein weiterer interessanter Sektor. Man muss ein Stück wandern, um dorthin zu gelangen. Wir sind 30 Minuten zu Fuß gegangen und an einer einfachen Ecke brauchten wir ein Fixseil. Das ist es aber definitiv wert, wie man erkennt, wenn man schließlich den Felsabsatz erreicht: Die Aussicht ist großartig! Die Routen sind bis zu 50 Meter lang, der Fels ist rot gefärbt und die erste Hälfte ist mit Kalymnos-artigen Sintersäulen durchsetzt, wohingegen der obere Bereich aus einem löchrigen Überhang besteht wie die Gorge du Tarn in Südfrankreich. Die ersten Seillängen liegen zwischen 6b und 7a+, während die Extensions 8a erreichen. Die Schwierigkeitsgrade waren viel weniger hart als in Elona. Manchmal erschienen sie uns sogar extrem locker und es kam hauptsächlich auf Ausdauer an. Es lohnt sich auf jeden Fall, die Extensions spontan anzugreifen. Das haben wir dann auch gemacht. Ich bin einige Routen zwischen 7a und 7b+ geklettert („Mystere et boule de gomme 7b+“, 16 Karabiner). In den unteren Bereichen der Wand mit den Sintersäulen trifft man auf etwas loses Gestein.

Unser nächstes Ziel war die „Adrschpach Wall“. In diesem kleinen Sektor, der auf dem Weg nach Elona liegt, gibt es weniger als 20 Routen. Die meisten haben einen leichten Überhang und am Ende ein kleines Dach. Sintersäulen sich hier mit Leisten und Slopern durchsetzt. Die Routen hier sind sehr technisch und ausgewogen. Die Schwierigkeitsgrade liegen zwischen 7a und 8a+, abgesehen von zwei 6er-Routen. Die schwierigen Linien werden selten geklettert. Ich habe mich für diejenigen mit 7a und 7b entschieden. Auf diesen Routen mit den höheren Schwierigkeitsgraden, die aber insgesamt sehr schön sind, bin ich vom Stil her eher gebouldert.

Dasselbe gilt für „La Maison de Chevres“, einen kleinen Sektor, bei dem ein alter Ziegenstall unter dem überhängenden Fels steht. Die Routen sind kurz, bis 18 Meter lang, und erfordern oft boulderartige Bewegungen. Es gibt eine 9a+. Leisten und kleine Sintersäulen sind weit über den überhängenden Fels verstreut. Hier sind gelegentlich wirklich sehr dynamische Bewegungen nötig. Ich habe die „Amalthee 7b+“ OS bezwungen – das war ein ganz schöner Kampf!

Ein sehr abwechslungsreicher Klettersektor, den wir auch besucht haben, heißt „Nifada“. Er bietet wirklich von allem etwas. Es gibt sehr kurze Routen (10 Meter lang, 8a), die man eher bouldern kann, aber auch lange Linien (30 Meter), die überhängen und viel Ausdauer erfordern. Die Schwierigkeitsgrade scheinen noch sehr zu variieren. Je nach Kletterführer können sie um bis zu drei Grade schwanken. Ich bin den kurzen „Baumkraxler“ 7b+ OS geklettert – eine Route entlang einer einzigen Sintersäule, die viel Spaß macht und die für ihren Schwierigkeitsgrad sehr leicht erscheint. Leider habe ich die „Angi Orangi“-Extension, eine wirklich beeindruckende Linie, nicht bezwingen können. Je nach Kletterführer liegt der Grad zwischen 7c und 8a+. Diese tolle Route führt entlang eines durchgängigen Überhangs mit langen Bewegungen an Sintersäulen und Löchern. Ich muss unbedingt wiederkommen, um sie zu klettern.

Auf unserer Reise haben wir auch das nahe gelegene Kyparissi besucht. Dieser Ort am Meer liegt etwa 30 Kilometer von Leonidio entfernt, ist aber gar nicht so leicht zu erreichen. Die Küstenstraße ist noch nicht fertig ausgebaut, deshalb muss man eine 70 Kilometer lange Bergstraße nehmen, von der 1,5 Kilometer unbefestigt sind. Die Fahrt dauert etwa zwei Stunden. Man muss auf jeden Fall daran denken, genug Benzin im Tank zu haben, da es in Kyparissi noch keine Tankstelle gibt.

Es lohnt sich aber definitiv, hierher zu kommen! Im oberen Teil des Ortes steht eine byzantinische Festung mit einer spektakulären Aussicht auf das Meer und den Ort selbst. Zu dieser Jahreszeit ist nur sehr wenig los. Die wunderschönen Strände hat man weitgehend für sich und wir haben dort für eine Woche unser Lager aufgeschlagen. Um den Ort liegen einige Klettergebiete verstreut. Wir haben zwei davon besucht:

zunächst einmal den Sektor „Watermill“. Er liegt nahe der Straße am Ortseingang von Kyparissi. Hier klettert man sehr vielseitig: Es gibt alles von Beinahe-Dächern mit Sintersäulen und Formationen, die wie Brokkoli aussehen, über ausgedehnte Überhänge an großen Sintersäulen, die an Elefanten erinnern, bis hin zu leichten Überhängen oder vertikalen Wänden mit Leisten, Löchern und kleinen Sintersäulen, an denen es auf Gleichgewicht ankommt. Nach OS bin ich einige 7a- und 7b-Routen geklettert, aber auch eine 7c+ namens „Jerome the Gangster“, eine Ausdauerlinie mit einem originellen Boulder, der nicht ganz offensichtlich zu klettern ist.

Danach waren wir noch im Sektor „Babala“. Man muss etwa 45 Minuten zu Fuß gehen, um zum Fuß dieser Wand zu kommen. Der Weg ist aber schön, nicht sehr steil und frei von Hindernissen. Die Wand dort oben ist unglaublich – steil mit einer Menge Sintersäulen und Potenzial für hunderte Routen. Diese Wand gilt mit Recht als eine der besten für anspruchsvolles Klettern in Griechenland. Hier gibt es nur Routen der hohen Schwierigkeitsgrade. Abgesehen von einer 7b+, die immer nass ist, fangen die Routen bei 7c an; die meisten liegen jedoch über 8a. Wir haben eine 7c+ ausprobiert, sie aber nicht geschafft – wir haben also einen Grund zurückzukommen.

Anschließend sind wir an den Vlychada-Strand weiter gereist. Dieser Sektor liegt etwa 35 Kilometer und eine zweistündige Autofahrt auf schmalen Bergstraßen von Kyparissi entfernt. Er liegt am schönsten abgeschiedenen Strand, den ich je gesehen habe. Die Wand erhebt sich ganz unerwartet zwischen den Bergen, wenn man die Serpentinen entlang fährt. Es gibt einige Routen zwischen 6a und 6c+, eine 7a, eine 7a+ und zwei 7b-Linien. Ich bin die meisten innerhalb eines Tages geklettert und konnte anschließend das Meer und die Aussicht genießen. Es gibt ein paar Sintersäulen und pilzförmige Griffe sowie einige Löcher. Einige kleine, felsige „Pilze“ können sich zwar noch lösen, wenn man sie fasst, aber es gibt keine großen Felsstücke, die lose aussehen. Die Routen sind kurz, aber sehr schön. Es lohnt sich schon wegen der Atmosphäre, dorthin zu fahren!

Auf dem Rückweg haben wir beschlossen, es noch einmal mit Pyli und Mouzaki zu probieren – wieder mit demselben Ergebnis wie zuvor. In Mouzaki gab es immerhin ein paar trockene Routen. Deshalb haben wir entschieden, dort Klettern zu gehen.

Da wir allgemein etwas klettermüde waren, haben wir den letzten Tag damit verbracht, uns Meteora anzusehen. Es gibt beeindruckende Wände, die hunderte Meter hoch sind. Auf einigen stehen alte Klöster. Ein wirklich wunderschöner Ort! Beim nächsten Mal wollen wir dort hoffentlich einige Mehrseillängenrouten klettern.

Nach dreieinhalb Wochen ging unsere Reise dann zu Ende. Es war wunderbar, mitten im November etwas Sommer zu erleben und etwa 40 Routen zwischen 7a und 7c+ zu klettern. Das müssen wir dieses Jahr wohl wieder machen.

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