16.02.2017

Industrieklettergurte IGNITE SERIES gewinnt German Design Award

Eine Gurtlinie für nahezu jeden Anwendungsbereich? Die ist mit unserer IGNITE SERIES entstanden. Die Modelle sind in puncto Design und Funktionalität mit durchdachten Details ausgestattet – und jetzt auch mit dem German Design Award ausgezeichnet. Wie aus einer ersten Idee preisgekrönte Industrieklettergurte werden, hat uns Jan-Eric Kruse aus unserer Produktentwicklung erzählt.

Jan-Eric Kruse arbeitet seit 2013 bei SKYLOTEC. Der 29-Jährige hat an der Fachhochschule Osnabrück „Industrial Design“ studiert und ist in unserer Zentrale in Neuwied für die Entwicklung neuer Produkte zuständig. Er hat auch an unserer preisgekrönten Industrieklettergurt IGNITE SERIES gearbeitet. Wie sie entstanden ist, was ihn inspiriert und wie sich die Nachricht von einer Preisverleihung anfühlt, hat er uns im Interview beantwortet.

Frage: Jan-Eric, für die IGNITE SERIES habt Ihr in Frankfurt den German Design Award erhalten. Was war das für ein Gefühl, als Ihr den Preis entgegen genommen habt?

Jan-Eric Kruse: Das war großartig! Das haben wir natürlich gefeiert. Schon als uns die Nachricht erreichte, dass wir den German Design Award erhalten, habe ich erst einmal ein Bier aufgemacht. Das ist schließlich nicht irgendein Preis. Für die Designer ist es eine der höchsten Auszeichnungen, die man in Deutschland und Europa erhalten kann. Und es ist ein Beleg dafür, dass wir mit einer Gurtlinie, die durch ihr Design die Handhabung für Anwender erleichtert, den richtigen Weg gewählt haben.

Frage: Wie sieht es denn aus, wenn Ihr an neuen Produkten arbeitet?

Jan-Eric Kruse (lacht): Bei der IGNITE SERIES erst einmal etwas chaotisch. Das hatte aber weniger damit zu tun, dass wir einfach losgelegt haben. Von Beginn an hatten wir das Ziel, ein Konzept für eine neue Gurtlinie zu entwickeln, die sich für Anwender aus der Industrie und speziell aus der Windenergie eignen sollte. Besonders im Fokus sollten dabei Details stehen, die Funktion und Design sinnvoll verbinden. Chaotisch war es deshalb, weil ich zunächst eine Auswahl mehrerer Industrieklettergurte im Büro verteilt habe. Nach und nach habe ich die Modelle angezogen. Ich wollte ein Gefühl für das bekommen, was viele Beschäftigte täglich als Teil ihrer Persönlichen Schutzausrüstung gegen Absturz nutzen.

Frage: Muss man dafür nicht eine Menge Erfahrung haben?

Jan-Eric Kruse: Mit Gurten zur Absturzsicherung hatte ich zuvor kaum Berührungspunkte. Das war aber kein Nachteil. Es war vielmehr sehr hilfreich, als ich die Ausrüstung an mir selbst getestet habe. Unbefangenen Menschen fällt nämlich am ehesten auf, wenn etwas stört. So war das auch bei mir.

Frage: Hast Du Dich dabei nur auf Dein Gespür verlassen?

Jan-Eric Kruse: Nein, das geht natürlich nicht. Ich bin sehr oft rüber ins Vertical Rescue College gegangen. In unserem Trainingszentrum habe ich die Modelle in der Praxis ausprobiert – und bei unseren Instruktoren Erfahrungswerte abgefragt. Die sind echte Spezialisten und können durch ihre langjährige Tätigkeit in der Windenergie oder Höhenrettung und als Mitglieder in Hilfsorganisationen nützliches Feedback geben, worauf es bei PSAgA ankommt. Daraus ließ sich ein gutes Gesamtbild erstellen, an welchen Stellen es Optimierungsmöglichkeiten gab.

Frage: Worauf hast Du besonders geachtet?

Jan-Eric Kruse: Ich habe jede einzelne Komponente untersucht – von der Polsterung über Klickschnallen und Versteller bis hin zur Farbgebung. Dabei habe ich eine Antwort auf die Frage gesucht, welche Features sinnvoll sind und welche nicht. Auf diese Weise wollten wir jede einzelne Komponente in puncto Funktionalität und Optik verbessern. Das war Teil unserer Aufgabenstellung, als wir das Projekt gestartet haben. Für mich kam es aber nicht infrage, Elemente nur der Optik wegen anzupassen, ohne dass sie einen erkennbaren Nutzen haben.

Frage: Was ist Dir denn dabei im Speziellen aufgefallen?

Jan-Eric Kruse: Es war eine Reihe von Dingen, die es mir letztendlich leicht gemacht haben, die Gurte in Sachen Tragekomfort und Handhabung zu verbessern. Ich habe beispielsweise festgestellt, dass das Gewicht nicht optimal verteilt wird, weil es überwiegend auf den Schultern lastet. Für Anwender, die ihren Gurt täglich über mehrere Stunden tragen, ist das auf Dauer echt unangenehm. Es führt häufig auch zu starkem Muskelkater und Verspannungen im Schulter- und Nackenbereich. Außerdem habe ich gelernt, dass sich das Gurtband bei herkömmlichen Verstellern lockert, wenn Anwender dauerhaft in Bewegung sind. Damit haben viele von ihnen zu kämpfen. Es ist für sie lästig, wenn sie ihren Gurt immer wieder neu feststellen müssen. Ich selbst fand es außerdem anstrengend, das Gurtband im Schulterbereich zum Einstellen gen Himmel ziehen zu müssen. Denn aus ergonomischer Sicht ist es die optimalste Lösung, wenn es nach unten gezogen wird. Dafür muss ich viel weniger Kraft aufbringen.

Frage: Es ist nachvollziehbar, dass diese Aspekte das Tragen eines Gurtes nicht angenehmer machen. Gibt es auch Dinge, die die Handhabung grundsätzlich erschweren?

Jan-Eric Kruse: Klar! Manche Anwender haben schon Probleme damit, ihren Gurt richtig anzulegen. Das liegt meistens daran, dass sie ihre Ausrüstung nur sehr unregelmäßig verwenden müssen. Sie können nicht auf einen Blick erkennen, wo bei ihrem Gurt oben und wo unten ist. Das habe ich bei meinen Trageversuchen auch festgestellt. Und es deckt sich mit den Erfahrungen, die unsere Instruktoren teilweise bei ihren Schulungen machen. Sie haben mir zudem berichtet, dass sich ungeübte Anwender in manchen Fällen an falschen Ösen anschlagen. Das kann im Falle eines Sturzes böse Folgen haben. Hier gab es also deutliche Optimierungsmöglichkeiten, um eine Fehlanwendung zu verhindern. Das ist uns mit einer klaren Farbgebung des Gurtbandes und der Kennzeichnung der Hauptanschlagpunkte in auffälligem Orange gelungen.

Frage: Die IGNITE SERIES ist eine Gurtlinie mit vier Modellen. Sind die Verbesserungen grundsätzlich übertragbar?

Jan-Eric Kruse: Das durchdachte Farbschema bei den Gurtbändern und Hauptanschlagpunkten haben alle Modelle. Sie haben auch gemeinsam, dass sie über neue Versteller verfügen, die ein ungewolltes Lockern des Gurtbandes verhindern. Aber es gibt auch Unterschiede, weil es auch ein wichtiges Kriterium ist, in welchem Anwendungsbereich ein Gurt getragen wird. Der IGNITE ION ist ein vergleichsweise einfacher Gurt für Anwender auf dem Bau oder in der Instandhaltung, die ihre Ausrüstung nur selten verwenden. Der IGNITE ARGON ist dagegen komplett anders konstruiert, weil er für die Seilzugangstechnik gemacht ist. Abseilen, sich positionieren, Material oder Werkzeug mitführen – das muss für Anwender mit diesem Gurt möglich sein.

Frage: Das sind vielfältige Herausforderungen, die bei der Entwicklung an Euch gestellt werden. Dürft Ihr Euren Ideen bei der Gestaltung denn freien Lauf lassen?

Jan-Eric Kruse: Wir müssen uns natürlich an Normen orientieren und uns so bewegen, dass wir die notwendige Schutzfunktion nicht vernachlässigen. Die Norm stellt allerdings auch nur eine Mindestanforderung an ein Produkt dar. Wir arbeiten daher stets daran, Details zu entwickeln, die über dieses Mindestmaß hinausgehen. Das ist unser Anspruch. Nur so entsteht ein Mehrwert für den Anwender. Bleiben wir doch bei dem Beispiel der orangen Anschlagpunkte. Das ist eigentlich ein gar nicht so besonderes Feature, in puncto Sicherheit aber enorm wichtig.

Frage: Und woher kommt Deine Inspiration?

Jan-Eric Kruse: Wer Produkte entwickelt, sollte eine kreative Ader haben. Während meines Studiums habe ich zudem viel über Materialien und ihre Eigenschaften gelernt. Das hilft ungemein. Natürlich hat jeder seinen eigenen Ansatz, wie er an die Sache herangeht. Es schadet aus meiner Sicht nicht, wenn man sich thematisch nicht einschränkt. Ich bin viel im Internet unterwegs, schaue mir Details in der Architektur, im Handwerk oder auch bei Spielzeug an. Und ich gehe häufig in den Zoo. Es gibt nichts Faszinierendes als die Natur. Es ist wichtig, die Augen offen zu halten und ständig über den Tellerrand zu schauen.

Frage: Inwieweit hat Dir das bei der Entwicklung der IGNITE SERIES geholfen?

Jan-Eric Kruse: Sehr, keine Frage. Bei den Verstellern beispielsweise habe ich mich umgeschaut, was es überhaupt für Lösungen gibt. Outdoor-Rucksäcke, Produkte aus dem Paragliding, Kitesurfen oder Militär – das war sehr aufschlussreich für meine Arbeit. Bei anderen Komponenten bin ich eher einer konsequenten Logik gefolgt. Bei den Polsterungen beispielsweise kommt es im Wesentlichen auf die menschliche Anatomie an. Also habe ich mir von einem befreundeten Chirurgen Fachliteratur besorgt und mich in das Thema eingelesen. Meine Überlegungen habe ich an einem Torso angezeichnet. Es hat sich schnell gezeigt, dass viele unterschiedlich große Erhöhungen gegenüber einer großflächigen Auflage einen entscheidenden Vorteil haben. So lassen sich nicht nur Druckstellen vermeiden. Es entlastet auch die Wirbelsäule, weil Lasten auf diese Weise optimal verteilt werden. Auf Grundlage dieser Erkenntnis haben wir unsere neuen Hüftpolster entwickelt.

Frage: Aber es ist doch bestimmt nicht alles so glatt gelaufen, wie Du es bisher schilderst. Gab es auch Momente, in denen Du verzweifelt bist?

Jan-Eric Kruse: Das war bei der Entwicklung neuer Versteller. Daran haben wir zusammen mit den Konstrukteuren insgesamt neun Monate gearbeitet. Für einen Entwickler gehören Rückschläge zum Beruf. In solchen Situationen darf man den Kopf nicht in den Sand stecken. Ich lasse die Sachen dann einfach mal eine Woche liegen und starte einen neuen Versuch. Das hilft meistens. Und das hat es auch im Falle der Versteller. Umso glücklicher ist man dann, wenn man die Dinge mit dem Team in den Griff bekommen hat. Und letztendlich hat es sich auch ausgezahlt: Der German Design Award ist eine tolle Bestätigung, dass wir hervorragende Arbeit gemacht haben.

Frage: Beim German Design Award ist Eure Arbeit durch eine Fachjury bewertet worden. Wie sieht denn das Feedback von den Menschen aus, die die IGNITE SERIES in ihrem Job benötigen?

Jan-Eric Kruse: Die Versteller und Polsterungen sind sehr positiv bewertet worden. Zudem ist es gut angekommen, dass die Industrieklettergurte optisch anspruchsvoll gestaltet sind. Das hat sich bei Anwendern inzwischen als Trend durchgesetzt. Wenn dabei gleichzeitig die Funktionalität stimmt, wird die Ausrüstung auch akzeptiert und gerne getragen. Das bedeutet letztendlich auch ein Plus an Sicherheit. Wir haben ein Jahr an der Entwicklung gearbeitet. Wichtig war auch, dass wir uns im laufenden Prozess immer mal wieder Impulse eingeholt haben. Das war für ein tolles Ergebnis ebenfalls ausschlaggebend.

Frage: Jan-Eric, zum Abschluss noch eine allgemeinere Frage. Wie wird man eigentlich Produktentwickler bei SKYLOTEC?

Jan-Eric Kruse (lacht): Durch viele glückliche Zufälle. Ich habe mich im Herbst 2013 bei mehreren Herstellern für ein Praktikum beworben. Radfahren oder Klettern gehören zu meinen Hobbies. Deshalb habe ich ein Unternehmen gesucht, das dazu passt und mit dem ich mich identifizieren kann. Weil SKYLOTEC nicht nur in der Industrie, sondern auch in der Welt des Sports zu Hause ist, passte das sehr gut. Zudem hat mich schon während meines Studiums das Thema „Gurte“ sehr interessiert. Im Bewerbungsgespräch hat sich schnell die Möglichkeit aufgetan, auch meine Bachelor-Arbeit hier zu schreiben. Das war eine große Chance, die ich bekommen habe und für die ich sehr dankbar bin.

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